Living Apart Together: Ein Beziehungsmodell

Living apart together: Paar umarmt sich

Jean Paul Sartre und Woody Allan haben eins gemeinsam: Sie führten beide eine LAT-Beziehung. Bei dieser Art von Partnerschaft leben die Paare in getrennten Wohnungen, sind jedoch fest liiert. Sind LAT-Partnerschaften das Beziehungsmodell der Zukunft?

Mehr Distanz: weniger Liebe?

Der Begriff Living Apart Together, das heißt übersetzt „getrennt zusammen leben“, wurde 1980 durch die Niederländerin Cees J. Straver geprägt und in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt. Im Unterschied zu Fernbeziehungen entscheiden sich die Partner einer LAT-Beziehung bewusst für getrennte Wohnungen, teilweise sogar in derselben Stadt.

Was früher eher in Künstler- oder Intellektuellenkreisen üblich war, wird nun in der westlichen Gesellschaft immer beliebter. Ein berühmtes Beispiel für diese Lebensform stellen Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir dar. Sie zogen erst zusammen, als Sartre schwer krank wurde und von Simon de Beauvoir bis zu seinem Tod gepflegt wurde. Damit zeigt sich auch, dass die Entscheidung für getrennte Wohnungen nichts mit mangelnder Liebe zu tun hat.

Wie viel Nähe oder Distanz in einer Partnerschaft vorherrscht, ist von Paar zu Paar unterschiedlich. Problematisch wird es erst, wenn die Partner unterschiedliche Bedürfnisse in Bezug auf Nähe oder Distanz entwickeln. Wiebke Neberich, Psychologin an der Universität Berlin und Beziehungsexpertin bei eDarling hat speziell zu diesem Thema geforscht: „Der Wunsch nach Distanz heißt nicht automatisch, dass eine Beziehung schlecht läuft. Manche Menschen brauchen viel Raum. Für sich selbst, Hobbys, den Job.“

Warum LAT?

In den letzten Jahrzehnten haben Veränderungen in der westlichen Gesellschaft die Zunahme des Living Apart Together-Phänomens begünstigt: weniger Ehen wurden geschlossen und die Zahl der Scheidungen hat zugenommen.

Besonders Frauen im mittleren Erwachsenenalter schätzen diese Partnerschaftsform. Dieser Umstand lässt sich zum Teil durch die mittlerweile vermehrte Berufstätigkeit von Frauen erklären. Viele sind heute finanziell unabhängiger, erfolgreicher und nicht darauf angewiesen eine wirtschaftliche Überlebensgemeinschaft einzugehen. Weiterhin besitzen Frauen meist ein stabileres soziales Netz, welches sie auffängt und ihnen Halt gibt.

Laut einer Studie1 der Humboldt Universität in Berlin ist der Anteil derjenigen, die in dieser Form leben, vor allem bei den über 40 jährigen in den letzten Jahren extrem gestiegen. Paare im Alter von 18 bis 27 Jahren bevorzugen nach wie vor LAT nur als Übergang um schließlich eine Ehe einzugehen und ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Vor allem Partner, die schon eine gescheiterte Ehe hinter sich haben, alleinerziehend sind oder negative Erfahrungen in langjährigen Partnerschaften gesammelt haben, entscheiden sich bewusst für zwei Wohnungen.

Das Konzept Living Apart Together lässt sich auch auf den Wunsch zurückführen, länger ohne familiäre Zwänge oder Verpflichtungen leben zu können. Die Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit der Partner steht dabei im Vordergrund. LAT-Partner zeichnen sich somit meistens durch eine höhere Flexibilität sowie ein größeres Autonomiestreben aus.

Zusammenziehen oder nicht?

Getrennte Wohnungen haben den Vorteil, dass die gemeinsam verbrachte Zeit aktiver gestaltet wird. Da sich das Paar nicht so häufig sieht, ist die Bereitschaft zu Aktivitäten und zum Erleben gemeinsamer, schöner Momente im Allgemeinen höher.

Auch entfallen lästige Streitereien über Alltagsfragen wie „Wer putzt das Bad? Warum hat der Partner den Wäscheberg nicht aufgearbeitet? Wieso ist die Herdplatte immer noch an?“, etc. Diese trivialen Kleinigkeiten des Beziehungsalltags können sich bei Wiederholung zu echten Problemen und einem hohem Maß an Gereiztheit entwickeln. Marotten oder Eigenheiten des Partners können durch eine gewisse Distanz eher toleriert werden und fallen weniger auf. Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Einrichtung, des Essens oder Musikgeschmacks werden entschärft, da jeder sich in seiner Wohnung einen ganz persönlichen Rückzugsraum schaffen kann.

Gemäß Psychologin Wiebke Neberich führen LAT-Partnerschaften allerdings zu Streitereien auf anderen Gebieten. Getrennte Freundeskreise können beispielsweise zu Unstimmigkeiten bei der Freizeitplanung führen. Wie viel Zeit wird gemeinsam verbracht und wie viel mit der besten Freundin oder dem besten Freund? Darüber hinaus gehört ein großes Vertrauen unabdingbar zu dieser Lebensform dazu. Quälende Fragen wie „Warum trifft er sich schon wieder mit dieser Frau? Ist sie tatsächlich nur mit Freundinnen unterwegs oder etwa doch in männlicher Begleitung?“ können für großes Konfliktpotential sorgen.

Die Partner müssen mit der geringeren Kontrollmöglichkeit sowie der Unsicherheit über die Treue des Partners umgehen können.
Eine nicht ganz unwichtige, positive Begleiterscheinung der LAT-Beziehungen ist die erhöhte sexuelle Zufriedenheit, wie verschiedene Studien ergeben haben. Wahrscheinlich mag dies auch an den reduzierteren Gelegenheiten liegen, die LAT-Paare für ein Schäferstündchen haben.

Die Schattenseiten der Freiheit

Das höhere Trennungsrisiko von LAT-Partnerschaften gehört definitiv zu den negativen Begleiterscheinungen des Trends. Ein Grund für das häufigere Scheitern mag die Selbständigkeit und Freiheit der Paare sein. Die Angst vor Einsamkeit ist geringer, da die Paare das Alleinsein gewöhnt sind und von ihrem Freundeskreis aufgefangen werden können.

Ob das Konzept Living Apart Together eher ein Flop oder vielleicht doch die optimale Lösung ist, hängt von Ihnen und Ihren persönlichen Präferenzen ab. Manche Paare brauchen die tägliche Nähe und können sich eine LAT-Beziehung unter keinen Umständen vorstellen. Andere leben durch den individuellen Freiraum erst richtig auf und genießen die Partnerschaft trotz oder gerade deswegen in vollen Zügen. Schwierigkeiten entstehen erst, wenn es keine Übereinstimmung gibt oder wenn einer der Partner seine Wünsche nicht kommunizieren kann.

Quellen:

1Asendorpf, J. B. (2008). Living Apart Together: Alters- und Kohortenabhängigkeit einer heterogenen Lebensform. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 60, 749-764.

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