Mythos Monogamie – wie wichtig ist Treue in Beziehungen?

Treue: Zwei Herzen sind wie Puzzleteile auseinandergebrochen

Egal ob einmaliger Seitensprung oder langjährige Affäre – Fremdgehen kann Beziehungen, Ehen und Familien zerstören. Treue scheint ein seltenes Gut geworden zu sein. Passt die Vorstellung, dass wir unser Leben nur mit einem einzigen Menschen verbringen noch in unsere moderne Zeit? Oder ist Monogamie und sexuelle Exklusivität ein überholtes Konzept?

Wenn man den Umfragen glaubt, steht die Treue hoch im Kurs. Laut der Hamburg-Leipziger Forschergruppe um Gunter Schmidt und Kurt Starke1 wünschen sich 90% der Menschen, dass ihr Partner treu ist. Doch das ist nur eine Seite der Medaille: Gleichzeitig gesteht die Hälfte der Probanden, selbst schon einmal einen Partner betrogen zu haben. Wie kommt es zu diesem Paradox?

Warum gehen Menschen fremd, setzen Ihre Beziehung aufs Spiel und nehmen die Tatsache in Kauf, ihren Partner so sehr zu verletzen? Und warum ist der Wunsch nach etwas, das augenscheinlich eher unrealistisch ist, so ungebrochen groß?

Treue – Ausnahmeerscheinung in der Natur

Verglichen mit der Tierwelt ist die Treue beim Menschen eine Ausnahmeerscheinung. Fast kein anderes Lebewesen ist wirklich monogam. Daher kann das Ausmaß an Treue beim Menschen schon fast erstaunlich wirken. Evolutionsbiologen versuchen immer wieder das Phänomen Untreue mit unserer genetischen Programmierung zu erklären. Der Mensch will sich fortpflanzen und das möglichst zahlreich. Um sein eigenes Erbgut besonders breit zu streuen, braucht der Mann nun mal mehrere Frauen. Das Ziel der Frauen ist es, sich die besten Gene herauszupicken und die müssen nicht unbedingt von ihrem Versorger stammen. Sicherlich spielt diese Komponente ebenfalls eine Rolle, aber niemand ist nur seinen Genen unterworfen und Untreue ist ein sehr komplexes Thema.

Der Reiz der Abwechslung

Lebenslange Beziehungen sind heute nicht mehr die Regel. Trennungen und Scheidungen sind inzwischen weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert. Die meisten Menschen führen mehrere Partnerschaften in Ihrem Leben und erfahren auch immer wieder Phasen als Single. Treue bezieht sich also nicht mehr nur auf einen Lebenspartner, sondern auf mehrere aufeinanderfolgende Lebensabschnittspartner. Dieses Modell wird als serielle Monogamie bezeichnet. Trotzdem ist der Reiz des Neuen und Unbekannten groß: 75% der Befragten gaben als Grund für ihren Betrug an, dass sie nach Abwechslung gesucht haben. Doch ist die Beziehung die man gerade führt glücklich und erfüllend, scheint dieser Reiz nicht ganz so gefährlich zu sein.

Der Psychologe John Lydon2 von der McGill Universität in Montreal fand heraus, dass glückliche verheiratete Paare einen instinktiven Schutzmechanismus gegenüber Bedrohungen haben und somit auf Avancen von Dritten – selbst wenn sie diese attraktiv fanden – weniger reagierten.Ein Betrug in der Partnerschaft ist somit auch immer ein deutliches Warnsignal, das etwas in der Beziehung nicht stimmt. Vielleicht will man sich selbst seine Unabhängigkeit beweisen oder man sucht nach Anerkennung und Bewunderung, die man in der Partnerschaft nicht mehr so erfährt, wie man es sich wünscht.

Ein Seitensprung wird jedoch weniger attraktiv, je mehr Investitionen schon in die Beziehung getätigt wurden. Basiert das Leben also auf gemeinsamen Grundpfeilern, wie einem Haus, einem gemeinsamen Freundeskreis oder Kindern, scheint das Verlustpotential, das mit dem Fremdgehen einhergeht größer.

Treue – Wunsch nach Zuverlässigkeit und Orientierung

Der Wunsch nach Treue ist eng verbunden mit dem Wunsch nach Ordnung, Sicherheit und Beständigkeit. Besonders Jugendliche legen verstärk Wert auf Treue. Die Psychologin Sabine Walper von der Ludwig-Maximilians-Universität in München3 erforscht die Themen Partnerschaft und Familie über Jahre hinweg. Ihre Ergebnisse bisher: Für 77% der jüngeren Generation (geboren zwischen 1990 und 94) ist Fremdgehen ein ernstes Problem für die Beziehung, während nur 62% der älteren Generation (geboren zwischen 1970 und 74) dieser Aussage zustimmen. Dies zeigt, dass gerade junge Menschen ein Bedürfnis nach Zuverlässigkeit und Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt haben.

Auch wenn die Zahlen im ersten Moment erschreckend erscheinen, sind sie kein Grund pessimistisch zu werden. Zwar gaben 50% der Probanden der Hamburg-Leipziger Forschergruppe an, schon einmal fremdgegangen zu sein, doch die meisten Menschen sind den Großteil ihres Lebens treu. So waren nur 28% aller Seitensprünge in der aktuellen Beziehung und nur 10% im letzten Jahr. Allerdings zeigt sich auch sehr deutlich: Ist ein Partner erst einmal fremdgegangen, bleibt es meist nicht bei einem Ausrutscher. Der Göttinger Paarforscher Ragnar Beer4 fand heraus, dass 60% aller Fremdgänger eine Affäre haben, die länger als einen Monat dauerte. Die Hälfte davon hielt sogar bis zu einem halben Jahr.

Treuebruch – nur ein Warnsignal oder schon das Ende?

Obwohl der Wunsch nach einem treuen Partner so verbreitet ist, scheint die Realität anders zu sein. Doch so verletzend ein Betrug ist, er muss Ihre Beziehung nicht zwangsläufig zerstören. Sehen Sie es aber als ein sehr deutliches Anzeichen dafür, dass etwas in Ihrer Partnerschaft nicht stimmt. Krisen können auch immer als eine Chance für einen Neuanfang begriffen werden. Nachdem ein Partner betrogen wurde, muss vor allem das Vertrauen wieder aufgebaut werden und das braucht Zeit.

Eine Beziehung bietet immer auch Sicherheit. Je instabiler andere Lebensaspekte, wie etwa die berufliche oder finanzielle Situation sind, desto wichtiger wird die sicherheits- und orientierungsspendende Funktion einer Partnerschaft. Treue ist deshalb auch nicht aus der Mode und wird immer ein Wert bleiben, den die meisten Menschen akzeptieren, schätzen und sich wünschen.

Quellen:

1Gunter Schmidt und Kurt Starke „Beziehungsbiografien im sozialen Wandel“. Forschungsprojekt des Institutes für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 2002

2Studie von John Lydon „If-Then Contingencies and the Differential Effects of the Availability of an Attractive Alternative on Relationship Maintenance for Men and Women“ erschienen im „Journal of Personality and Social Psychology“ (Bd. 95)

3Daten aus dem Beziehungs- und Familienpanels (pairfam), das von Josef Brüderl, Johannes Huinink, Bernhard Nauck und Sabine Walper geleitet wird. Es wird als Langfristprojekt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Referenzquelle:Johannes Huinink, Josef Brüderl, Bernhard Nauck, Sabine Walper, Laura Castiglioni, Michael Feldhaus. 2010. Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics (pairfam): Conceptual Framework and Design. pairfam-Arbeitspapier Nr. 17. Universitäten Bremen, Mannheim, Chemnitz und München, Mai 2010.

4Ragnar Beer: Studie im Projekt Theratalk „Worunter Betrogene nach einem Seitensprung leiden“ an der Georg August Universität Göttingen (http://www.theratalk.de/studie_seitensprung_betrogene.html)

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