„Eifersucht und Neid scheinen zunehmend zu verschmelzen“

Stipendiengewinnerin Nikita S. Felder über Eifersucht im Wandel

Nikita S. Felder, Soziologieabsolventin der Universität Wien, ist die diesjährige Gewinnerin unseres John-Houghton Stipendiums. Im Interview spricht sie mit uns über die Eifersucht im Wandel der Generationen und erklärt, inwiefern das Internet Eifersuchtpraktiken in Beziehungen beeinflusst.

Frau Felder, wie sind Sie auf das Thema „Zum Bedeutungswandel von Eifersucht und der Veränderung von ‚Eifersuchtspraktiken‘ im Generationenvergleich“ für Ihre Masterarbeit gekommen?

Das hat zum einen persönliche Gründe. In meiner vorangegangenen Beziehung war Eifersucht ein zentrales Thema, an dem die Beziehung letztendlich auch gescheitert ist. Daraufhin habe ich mich ziemlich intensiv mit dem Eifersuchtsgefühl auseinandergesetzt. Ich habe mir unter anderem die Frage gestellt, ob Eifersucht grundsätzlich beeinflussbar ist, etwa durch spezifische Denkweisen und durch Beziehungsformen, bei denen dem Anderen mehr Freiraum zugestanden wird.

Zum anderen ist die Veränderung von Eifersuchtsbedeutungen und -praktiken über Generationen hinweg ein extrem spannender Themenkomplex. Wie verändert sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau, zwischen mir und dem anderen oder dem Individuum und der Gesellschaft? Und wie öffentlich oder privat wird das Thema Eifersucht behandelt? Und schließlich auch, wie mit Eifersucht als negativer Emotion in der Postmoderne umgegangen wird. Damit berührt der Themenbereich ganz grundsätzliche soziologische Fragestellungen.

Inwieweit hat sich die Bedeutung von Eifersucht verändert?

Im Rahmen meiner Masterarbeit hat sich herausgestellt, dass der Eifersuchtsbegriff zunehmend mit dem Neidbegriff zu verschmelzen scheint. So bedeutet Eifersucht für meine jüngsten Interviewpartner und Interviewpartnerinnen nicht etwa, Angst davor zu haben, eine geliebte Person durch Konkurrenz zu verlieren, wie das bei den älteren Befragten größtenteils der Fall ist. Vielmehr besteht der Kern ihres Eifersuchtsbegriffs darin, eine Person, Eigenschaft oder einen Gegenstand besitzen zu wollen.

Damit wird die begehrte Person auf eine Ebene mit Objekten gestellt, was nicht zuletzt auf veränderte Beziehungspraktiken und eine Ökonomisierung von Emotionen schließen lässt.

Daneben lässt sich anhand der Gegenüberstellung der „ältesten“ und der „jüngsten“ Generation auch auf eine zunehmende Bedeutung des Subjekts schließen.

Das zeigt sich etwa darin, dass die „Generation der Kriegskinder“ die Eifersucht hervorbringenden Situationen besonders betont. Sie verstehen Eifersucht als Gefühl, das eng an eine bestimmte Konstellation von an dieser Situation beteiligten Personen gekoppelt ist. Die „iGeneration“ (junge Generation) nimmt hingegen fast ausschließlich auf das individuelle Selbst Bezug. Situative Aspekte spielen für sie ebenso kaum eine Rolle wie soziale Kategorien, zum Beispiel Geschlecht und Milieu.

Bei der „68er-Generation“ ist demgegenüber gerade der Verweis auf Geschlechterunterschiede und auf Machtaspekte charakteristisch. Dennoch bevorzugt diese Generation, ebenso wie die „iGeneration“ eine psychologische Ausdeutung der Eifersucht.

Somit kann neben der Subjektivierung auch auf eine Psychologisierung von Emotionen geschlossen werden. Das heißt, dass Eifersucht vor allem aus psychologischer Perspektive betrachtet wird. Sie wird zum Beispiel auf frühkindliche Erfahrungen zurückgeführt, die Narzissmus oder ein schwaches Selbstbewusstsein zur Folge hätten oder einfach Verlustängste provozieren würden.

Gibt es ebenso Bedeutungsmuster, die stabil geblieben sind?

Über alle drei Generationen hinweg eigentlich nicht. Es lassen sich bei der Kontextualisierung von Eifersucht ebenso Unterschiede feststellen wie bei der Situation, die typischerweise mit Eifersucht verbunden wird. Gleiches gilt für die Beschreibung des Eifersuchtsgefühls. Gemeinsamer Nenner ist vielleicht, dass Eifersucht als negative Emotion gilt – aber selbst da zeigen sich Unterschiede zwischen den Generationen, denn die „68er-Generation“ sieht Eifersucht weit negativer als die „Generation der Kriegskinder“. Und die „iGeneration“ benennt dezidiert auch positive Seiten der Eifersucht.

Besteht ein Zusammenhang zwischen technischen Entwicklungen wie dem Internet und Eifersuchtspraktiken?

Auf jeden Fall sehe ich da einen Zusammenhang. Die Etablierung technischer Entwicklungen hat sicher Einfluss auf Eifersuchtspraktiken. Ich habe mich hierbei insbesondere mit der Anti-Baby-Pille, dem Handy und dem Internet auseinandergesetzt.

Der Anti-Baby-Pille kann zumindest insofern Einfluss zugesprochen werden, als sie das Ende der lebenslangen Ehe eingeläutet und die Umsetzung neuer Beziehungsformen, etwa der freien Liebe, in gewissem Maße vereinfacht hat. Damit hat sich auch der Umgang mit Eifersucht in Beziehungen verändert, zumindest deuten meine Analyseergebnisse darauf hin. So ist Eifersucht bei der „68er-Generation“ so verpönt, dass sie in Beziehungen nur in Form von Sticheleien oder anderer Art von indirekter Anschuldigung aufgeworfen wurde.

Die jüngsten Befragten berichten hingegen von einer intensiven gemeinsamen Auseinandersetzung, die auf gegenseitiges Verständnis ausgerichtet ist, wenn Eifersucht im Spiel ist.

Internet und Handy wirken sich demgegenüber ganz anders aus, denn sie ermöglichen neue Beziehungspraktiken. Einerseits verlocken sie dazu, die Aktivitäten des Partners oder der Partnerin zu kontrollieren, etwa weil das Handy gerade so da liegt oder die Facebook-Seite offen ist. Und zum anderen bieten sie neue Möglichkeiten zum Flirten oder Fremdgehen. In den Interviews zeigt sich, dass Praktiken des „Nachspionierens“ mittels Handy und Internet vor allem für die jüngste Generation eine Rolle spielen.

Weil uns das Internet die Möglichkeit gibt unseren Partner häufiger zu kontrollieren?

Ob tatsächlich häufiger spioniert oder fremdgegangen wird, kann ich nicht sagen. Eine Veränderung durch soziale Online-Netzwerke und eDating-Portale lässt sich aber in der gehäuften Konfrontation mit der potenziellen Konkurrenz ausmachen. Gerade Fotos scheinen einen besonderen Anreiz zum Vergleich mit anderen zu bieten. Originalität, Sexyness und Schönheit sind zum Beispiel Merkmale, deren Vergleich über Fotos möglich ist. Und je mehr ich das Gefühl habe, dass viele andere bei solchen Attributen ähnlich gut oder gar besser abschneiden als ich, desto wahrscheinlicher ist es, dass ich meine Beziehung als fortwährend gefährdet wahrnehme.

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Sehen Sie neue oder veränderte Strategien der Vermeidung von Eifersucht angesichts der neuen Herausforderungen?

Die Analyse der Interviews lässt kaum darauf schließen, dass die potenziell vermehrten Eifersuchtsanlässe aufgrund von Handy und Internet direkt auf die Strategien im Umgang mit Eifersucht Einfluss nehmen. Zwar scheinen soziale Online-Netzwerke insofern als beziehungsdestabilisierend wahrgenommen zu werden, als sie etwa beim Eintritt in eine neue Beziehung präventiv deaktiviert oder die Tätigkeiten stark eingeschränkt werden. Doch auch die jüngste Generation erklärt, dass sie ihren Partnern und Partnerinnen vertrauen und im Normalfall nicht zu Mitteln des Nachspionierens greifen. Sie sehen ebenso keinen Anlass, dass Nachspionieren durch den anderen zu verhindern.

Eine tragendere Rolle als den technischen Möglichkeiten scheint allerdings den veränderten Beziehungsformen seit den 1960er Jahren zuzukommen. Ich habe bereits ausgeführt, dass die Ablöse von der traditionellen monogamen Ehe hin zur seriellen Monogamie neue Unsicherheiten mit sich gebracht hat. Beziehungen werden somit nicht mehr als dauerhaft stabil erfahren, sondern müssen immer wieder neu bestätigt werden.

Die jüngste Generation reagiert darauf scheinbar mit Methoden, die aus dem Konfliktmanagement bekannt sind. Das heißt, sie versucht, Gefühle zu verbalisieren und dem Gegenüber die eigenen Bedürfnisse verständlich zu machen. Das ist einerseits sicher sehr positiv zu bewerten, auch weil sich hier eine Emanzipation der Partner*innen zeigt. Gleichzeitig muss diese „therapeutische Partnerschaftskultur“ aber auch hinterfragt werden, weil sich dahinter erstens ein Drang zur Kognitivierung von Gefühlen, also zur Selbstreflexion und Versprachlichung verbirgt und zweitens ein Bild von Emotionen gezeichnet wird, das diese als komplett form- und kontrollierbar erscheinen lässt.

Auch das klingt jetzt nicht unbedingt schlimm. Es gibt aber durchaus Soziolog*innen, die davon ausgehen, dass die dauernde Thematisierung der eigenen Gefühle und Bedürfnisse viele Probleme erst erschafft, die sie eigentlich bekämpfen möchte. Dazu kommt, dass die Verantwortung für problematische Gefühle, worunter sicher auch die Eifersucht fällt, allein der fehlgeschlagenen Gefühlsarbeit des einzelnen Individuums zugerechnet wird, wodurch dieses beim Scheitern der Gefühlsarbeit Schuldgefühle entwickelt oder aber nur mehr Psychotherapie als Ausweg übrig bleibt.

Abschließend Ihre persönliche Meinung: Ist die jüngere Generation eifersüchtiger als die vorherigen und was ist der Grund?

Zwar ließe sich dies aus meinen Ergebnissen so ablesen, allerdings ist hier sehr viel plausibler, dass Eifersucht im Laufe des Lebens eine immer geringere Rolle spielt und das Alter somit ausschlaggebend für diesen Unterschied zwischen den Generationen ist. Ich persönlich glaube nicht, dass die jüngste Generation eifersüchtiger ist, auch wenn die möglichen Anlässe für Eifersucht mehr geworden sind.

Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass Eifersucht etwa im Vergleich zur „68er-Generation“ in Beziehungen wieder mehr erwünscht wird, was sich vereinzelt in den Interviews andeutet. Wird Eifersucht als Liebesbeweis verstanden, so ist sie ein Mittel, die bereits angesprochene Unsicherheit über den Fortbestand einer Beziehung zu beseitigen. Weil die iGeneration Eifersucht nicht mit Macht und Unterdrückung in Beziehung bringt, könnte sich hier eine Umdeutung dieser Emotion abzeichnen. Vielleicht sogar einer bewussten Provokation dieses Gefühl.

Frau Felder, ich danke Ihnen für das Interview.

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